Salonwagen Sal 6ü-40
Wagennummer: 10 215 Bln
Unter den reinen Salonwagen kann der hier behandelte 10 215 Bln in mehreren Belangen als Exot angesehen werden -
weniger was seine puren technischen Daten angeht als vielmehr seine abweichende Innenraumaufteilung und -gestaltung. Alles
scheint konsequenter auf eine Person zugeschnitten zu sein, für die dieser Wagen nur ein weiteres Mittel darstellte, den
unbändigen Durst nach Luxus und Raum zu befriedigen. So fanden sich im gesamten Wagen keine Abteile für
Begleitpersonen oder den Wagenmeister - einmalig unter den reinen Salonwagen. Der damit zusätzlich zur Verfügung
stehende Raum wurde hauptsächlich für die Vergrößerung der anderen Abteile und des Salons genutzt,
letzterer war beispielsweise mit 7,4 Metern mehr als 1,5 mal so lang wie im 10 205 Bln, der bis dato der selben
Person zur Verfügung stand. Neben (kleinerem) Vorsalon, Salon, Schlafraum 1, Abort, Bad und Schlafraum 2 fand so im Wagen
nur noch ein als Koffer- oder Schrankraum bezeichnetes Abteil Platz. Wobei diese Bezeichnung etwas zu kurz greift, da der Raum
neben der Unterbringung von Kleidung und Koffern auch für das Aufbereiten der Kleidung (Bügeln, etc.) genutzt werden
konnte. Ansonsten sind auch in der Ausstattung einige Änderungen wahrnehmbar, die mal mehr, mal weniger ins Auge fallen.
Und auch wenn einige Elemente wie etwa die Bücherregale und der Schreibtisch im Salon an den 10 205 Bln
erinnern, so lassen sich hier bereits einige Neuerungen ausmachen, wie etwa der Kartentisch an der abteilseitigen
Außenwand oder die bei der Sitzgruppe befindliche Stehlampe. Und dies setzte sich mehr oder weniger deutlich auch in den
übrigen Abteilen fort, so war im ersten Schlafraum erstmals einen Sessel vorhanden und das (eigenständige) Bad konnte
mit einer längs zur Fahrtrichtung aufgestellten Badewanne aufwarten.
Aber auch in technischer Hinsicht lassen sich einige interessante Details ausmachen, wobei die dreiachsigen Drehgestelle
Görlitzer Sonderbauart mit ölgeschmierter Wiegenschraubenfederung zweifelsohne dazugehören. Mit ihnen konnte
einerseits das hohe Eigengewicht des Wagens aufgefangen und andererseits auch der Laufkomfort verbessert werden. Interessant
erscheint auch das Sonnenschutzdach aus Holzprofilen, welches sich fast über die gesamte Wagenbreite erstreckte.
Die Konstruktion der Bauart oblag der Waggonfabrik Wegmann & Co. aus Kassel, die den Wagen im Oktober 1940 an die Deutsche
Reichsbahn übergab.
Verwendung und Umbauten bis 1945
Der Wagen stand nach Lieferung Reichsmarschall Hermann Göring zur Verfügung, was unter anderem dazu führte,
daß der bisherige Salonwagen Görings (10 205 Bln) eben diese Funktion verlor. Schon im ersten Monat nach
der Lieferung des 10 215 Bln ergaben sich von Seiten Görings einige (kleinere) Änderungswünsche, die
neben Reparaturen (z. B. der gesprungenen Glasplatte des Kartentischs) auch einige Ergänzungen der Einrichtung beinhalteten.
Der Ablegetisch im Salon (eventuell ist der Kartentisch gemeint) sollte z. B. unterhalb der Tischplatte ein Fach zum
Verstauen von Zigarren erhalten und der Kleiderschrank des ersten Schlafraum war zudem zur Hälfte mit Fächern
für die Aufnahme von Wäsche auszurüsten. Daneben sollte für den Teppich im Salon ein bläulich
eingefärbter Leinenüberzug beschafft werden, der zusammen mit mehreren Abtretmatten für die Einstiege und das
Bad zu liefern war. Eine Woche später wurde zudem der Wunsch geäußert, das Bild Hitlers oberhalb des
Schreibtischs ein wenig niedriger hängen zu lassen, um die beiden Bücherregale oberhalb davon mit einem
zusätzlichen Fach verbinden zu können. Abgesehen davon wurden noch Feststellvorrichtungen für verschiedene
Türen und Klappen (u. a. des Waschschranks im zweiten Schlafraum) verlangt. Alle diese Wünsche wurden
letztendlich erfüllt, allerdings gab es im Anschluß einige Streitigkeiten zwischen der Deutschen Reichsbahn und den
Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk über den Preis der gelieferten Gegenstände (insbesondere
einer Wolldecke). Nachdem ein Gutachten jedoch keine Überteuerung feststellte, wurde die geforderte Summe am Ende
zähneknirschend bezahlt.
Die im Wagen vorhandene Tonfilmapparatur kam offensichtlich so gut an, daß Göring im November 1940 darum bat, eine
entsprechende Einrichtung fest installieren zu lassen. Dazu wurde für den Projektor eine dauerhafte Kammer im
abteilseitigen Einstiegsbereich des Vorsalons geschaffen, welche es ermöglichte, den Lichtkegel durch das Bücherregal
(dabei waren lediglich vier Bücher zu entnehmen) auf die gegenüberliegende Seite des Salons zu führen.
Hierfür mußte allerdings die abteilseitige Einstiegstür des Vorsalons verschlossen werden.
Gleichfalls im November 1940 wurde der Wunsch geäußert, die Wagen 10 205 Bln und 10 215 Bln
statt mit dem Hoheitszeichen der DRB (Reichsadler mit den Lettern D und R) mit dem Hoheitszeichen des Reichsmarschalls
auszurüsten (Reichsadler mit gekreuzten Marschallstäben), was allerdings bei der Reichsbahn nur ungern gesehen war,
da man sich bis dahin u. a. aus Sicherheitsgründen bemüht hatte, den Nutzer des Wagens nicht durch die
Außen- gestaltung zu erkennen zu geben. Letztendlich wurde dies aber doch gestattet (genauer Zeitpunkt unbekannt,
spätestens jedoch 1942).
Auch nach dieser Zeit ergaben sich immer wieder kleinere Änderungswünsche, die jedoch den Rahmen dieser Seite
sprengen würden und zudem nur bedingt interessant sind. Als abschließende Bemerkung sei gestattet, daß eine
solch große Zahl von Sonder- wünschen nur bei wenigen Personen vorzufinden war: und Göring zählte ohne
Zweifel zu ihnen. Sicherlich ergaben sich auch bei den Wagen anderer Personen Umbauten, jedoch beschränkten sich diese
zumeist auf kleine Verbesserungen der Bedienbarkeit oder Änderungen technischer Natur. Auch sollte man sich vor Augen
führen, daß die oben (nicht vollständig) genannte Liste nur den Zeitraum von Mitte Oktober bis Ende November
1940 erfaßt, also gerade einmal einen Bereich von eineinhalb Monaten abdeckt (auch wenn die meisten Beanstandungen
sicherlich kurz nach der Lieferung eines Fahrzeugs entstehen, hier stellen Görings Wagen natürlich keine Ausnahme dar)!
Der Wagen 10 215 Bln blieb bis Kriegsende Görings persönlicher Dienstwagen und war somit - nur unterbrochen
von den Raw-Aufenthalten - immer in den Hauptzug Görings eingestellt. Bei Kriegsende stand er folglich in der
us-amerikanischen Besatzungszone und wurde bald darauf von der
US Army beschlagnahmt,
die ihn alsbald für eigene Zwecke einsetzte. An die
Deutsche Bundesbahn
wurde er 1950 oder 1951 zurückgegeben, doch sollte ihm dort kein langes Leben mehr beschieden sein.
Weiterführende Links
Die Inneneinrichtung des Wagens (mit weiteren Bildern)
Übersichtsskizzen
Einsätze bei den Alliierten Streitkräften
Der Wagen 10 215 bei der Deutschen Bundesbahn
Quellenangaben
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Technische Daten
Herstellerwerk |
Wegmann & Co., Kassel |
Baujahr |
1940 |
Beschafft auf Vertrag |
03.966 / 59.027 bzw. 26(59).027 |
Eigengewicht |
72,9 t |
Länge über Puffer |
24.300 mm |
Länge des Wagenkastens (mit Schürzen) |
24.000 mm |
Länge des Wagenkastens (ohne Schürzen) |
23.000 mm |
Drehzapfenabstand |
16.960 mm |
Größte Breite des Wagenkastens |
2.854 mm |
Wagenhöhe über Schienenoberkante |
3.979,5 mm |
Fußbodenhöhe über Schienenoberkante |
1.260 mm |
Drehgestellbauart |
Sonderbauart Görlitz, 3-achsig |
Drehgestellachsstand |
3.600 mm |
Generatorbauart |
Tatzlagergenerator ZOG 181 |
Bremsbauart |
Kksbr, Hnbr |
Heizungsbauart |
Whzde, Ofen |
Beleuchtung |
Elektrisch |
Schlußsignalhalter |
In Dachnischen versetzt |
Dachlüfter |
Kuckuckslüfter |
6 Stück |
Abteile |
Vorsalon |
1x |
Salon |
1x |
Abteile einbettig |
2x |
Mittelabort |
1x |
Bad |
1x |
Kofferraum |
1x |
Ofenraum |
1x |
Einstiegsraum |
1x |